Nicht jede oder jeder betrachtet sich als Brillentyp und selbst diejenigen Fehlsichtigen, die sich im Alltag mit einer Brille gut versorgt wissen, erwägen gelegentlich Kontaktlinsen. Sei es, weil sie sich auf einer Party ohne Brille im Gesicht zeigen möchte oder weil sie sich mehr Komfort bei sportlichen Aktivitäten erhofft.
Um Kontaktlinsen als vorteilhaft zu erleben, muss jedoch individuell alles optimal passen. Sonst können neue Sehprobleme auftreten, brennende Augen, Fremdkörpergefühl und im schlimmsten Fall gefährliche Infektionen an der Hornhaut des Auges. Hier erfahren Sie, worauf Sie bei der Auswahl, der Anpassung und der Pflege von Kontaktlinsen achten sollten. Eine Augenärztin und ein Augenoptiker beantworten die wichtigsten Fragen.
Was kennzeichnet harte Kontaktlinsen?
Harte Kontaktlinsen, oft auch als formstabile Linsen bezeichnet, bestehen aus einem festen Material. Optimal angepasst, erleichtert das ein durchgängig gutes Seherlebnis. Man kann sie durchschnittlich ein bis zwei Jahre benutzen, ehe neue gekauft werden müssen. Sie eignen sich für regelmäßige längere Tragezeiten. Nachts muss man sie jedoch rausnehmen und bewahrt sie in der Reinigungslösung auf.
„Harte Kontaktlinsen schwimmen auf dem Tränenfilm“, erklärt Professorin Dr. Anja Liekfeld, Chefärztin der Augenklinik im Ernst von Bergmann Klinikum in Potsdam. „Das erleichtert die Versorgung der Hornhaut mit Nährstoffen und Sauerstoff und beeinträchtigt die Befeuchtung der Hornhaut nur wenig. Vor allem ist das Risiko für die Ansiedlung von Keimen – und damit für eine Infektion der Hornhaut – bei harten Kontaktlinsen deutlich geringer als bei weichen. Daher sollte man Menschen, die täglich Kontaktlinsen tragen möchten, eher harte als weiche empfehlen“, sagt die Expertin.
In der Handhabung sind harte Kontaktlinsen robuster als weiche, die einreißen können, wenn man sie ungeschickt anfasst. Allerdings ist die Anschaffung formstabiler Linsen teurer. Darum kann es finanziell schmerzhaft sein, wenn man eine harte Linse kurz nach dem Kauf verliert. Erkundigen Sie sich vorab über Abo-Modelle oder Kullanzen, um diesen Fall besser einschätzen zu können.
Wegen ihrer Festigkeit empfinden Erstnutzende harte Linsen im Auge anfangs häufiger als Fremdkörper. „Die Eingewöhnungszeit ist meist länger als bei weichen Linsen“, berichtet Optiker Georg Scheuerer, Dozent für Optometrie an der Hochschule Aalen. Ungefähr zwei Wochen sollte man sich Zeit geben, ehe man eine weitere Anpassung versucht.
Was macht weiche Kontaktlinsen aus?
„Weiche Kontaktlinsen fühlen sich für viele Menschen angenehmer an als harte“, sagt Augenoptiker Scheuerer. Auch verrutschen sie weniger leicht als die harten Kontaktlinsen, weil sie direkt auf der Hornhaut aufliegen und größer sind als die formstabile Variante. Für viele zählt das als Plus, zum Beispiel beim Sport.
„Durch den direkten Kontakt wird die Hornhaut jedoch schlechter mit Sauerstoff versorgt“, gibt Augenärztin Anja Liekfeld zu bedenken. „Nutzende bemerken außerdem kleine Verletzungen oder Fremdkörper unter der weichen Linse oft erst spät. Das Risiko für Infektionen ist deshalb größer. Bei einem gereizten oder gerötetem Auge sollte die Kontaktlinse daher entfernt werden.“ Zudem gelten weiche Linsen – wegen des dichteren Aufliegens – insgesamt als ungünstig für trockene Augen. „Das lässt sich aber nicht pauschaliseren“, sagt Augenoptiker Georg Scheuerer.
Weiche Linsen gibt sie aus verschiedenen Materialien, die sich im Wassergehalt unterscheiden. „Man muss für jeden Nutzer und jede Nutzerin herausfinden, welches Material die Augen am besten vertragen, denn trockene Augen unterscheiden sich individuell sehr stark“, sagt Scheuerer. Den Eindruck der Nutzenden können Optikerinnen und Optiker untermauern, indem sie messen, wie schnell eine Kontaktlinse im Auge abtrocknet.
„Tendenziell eignen sich weiche Kontaktlinsen eher für einen nur gelegentlichen Gebrauch, etwa beim Sport oder zu einer Abendveranstaltung“, sagt Anja Liekfeld. Ein Grund: Nach jahrelangem ständigem Tragen ist bei ihnen das Risiko höher, dass sich an Hornhaut kleine Gefäße bilden, so dass sie nicht mehr so klar ist, wie sie sein sollte.
Wer sich für weiche Linsen interessiert, hat die Wahl zwischen Jahre-, Monats-, Wochen- und Tagesmodellen. Letztere entsorgt man nach einmaligem Tragen, weshalb die Reinigung entfällt.
Wie werden Kontaktlinsen angepasst?
Selbst wenn Sie vielleicht nur eine Einstärken-Kontaktlinse zur gelegentlichen Korrektur Ihrer geringen Kurzsichtigkeit suchen: „Alle Kontaktlinsen, weiche ebenso wie harte, müssen individuell angepasst werden, um optimales Sehen zu ermöglichen und Risiken gering zu halten“, betont Augenoptiker Georg Scheuerer.
Die Basis bildet ein Sehtest – beim Augenarzt oder bei der Optikerin. Er dient dazu, die richtige Korrekturstärke zu bestimmen und eventuelle weitere Faktoren wie die Stabsichtigkeit, eine sogenannte Hornhautverkrümmung, oder eine beginnende Altersweitsichtigkeit zu entdecken. Mit speziellen Kontaktlinsen lassen sich solche Sehprobleme mitkorrigieren. Für wen das eine Option ist, lässt sich nur nach individueller Beratung entscheiden.
Ebenso wichtig: Augen haben verschiedene Größen und Formen und sind unterschiedlich feucht oder trocken. Darauf müssen Kontaktlinsen angepasst werden, wenn sie gut sitzen und gutes Sehen ermöglichen sollen.
Was muss ich über die Kontaktlinsenpflege wissen?
Hygiene ist im Umgang mit Kontaktlinsen entscheidend, denn Infektionen am Auge sind nicht nur unangenehm, sie können zu dauerhaften Schäden führen. Insbesondere Hornhautinfektionen sind riskant. „Manche Betroffene verlieren dadurch so viel an Sehkraft, dass sie eine Hornhauttransplantation benötigen“, erläutert Anja Liekfeld.
Regel Nummer eins: Niemals Leitungswasser verwenden, um Kontaktlinsen zu reinigen oder aufzubewahren! „Im schlimmsten Fall enthält es Akanthamöben. Diese Einzeller können schwere Hornhautinfektionen auslösen, die eine monatelange Behandlung nötig machen“, berichtet Liekfeld.
Für die Reinigung, falls Sie Kontaktlinsen zwischendurch aus dem Auge nehmen, sind All-In-One-Lösungen aus dem Fachhandel geeignet oder ebenso für eine kürzere Aufbewahrung im Behälter. „Als vorteilhaft in Sachen Hygiene gelten 2-Phasenpräparate mit Wasserstoffperoxid, weil sie zuverlässig antibakteriell wirken“, rät Augenärztin Liekfeld. Sie kommen außerdem ohne Konservierungsstoffe aus. „Darum werden diese Reinigungssysteme auch von Menschen mitunter besser vertragen, die empfindliche und trockene Augen haben oder beispielsweise wegen Allergien zu gereizten Augen neigen“, ergänzt Optiker Scheuerer.
Wichtig: Pflegeserien nicht kombinieren, immer bei einer Linie bleiben, weil sich manche Produkte nicht miteinander vertragen. Wer es in Sachen Hygiene und Pflege maximal einfach haben möchte, nutzt Tageslinsen.
Wann müssen Kontaktlinsenträger zum Arzt?
Rötungen oder Schmerzen im Auge, die auch nach Entfernen der Kontaktlinse weiterbestehen, können auf eine Infektion hindeuten. Auch eingeschränkte Sicht ist ein Indiz dafür. In diesen Fällen sollten Sie noch am selben Tag Ihren Augenarzt oder Ihre Augenärztin aufsuchen. Wenn Sie keinen Termin bekommen: direkt in die augenärztliche Notaufnahme gehen. Der Tipp von Augenärztin Liekfeld: „Nehmen Sie den Aufbewahrungsbehälter samt Flüssigkeit sowie die entfernte Linse mit in die Praxis. Damit lässt sich bei Bedarf der Erreger einer Infektion schneller bestimmen.
Wann sollte man auf Kontaktlinsen verzichten?
Wasser und Kontaktlinsen sind im Hinblick auf das Infektionsrisiko keine ideale Kombination. „Zum Schwimmen sollte man sie vorsorglich herausnehmen“, rät Augenärztin Anja Liekfeld. Geht das nicht, sollte man zum Schutz eine Schwimmbrille überziehen. Ist auch das nicht möglich, lässt sich etwas für die Infektionsvorsorge tun, indem man die Kontaktlinsen nach dem Bad herausnimmt und reinigt, ehe man sie weiter trägt.
Manche Menschen haben Arbeitsbedingungen, bei denen es besser ist, eine Brille zu tragen als Kontaktlinsen: etwa in Umgebungen mit extrem trockener Luft oder sehr viel Staub. Auch für Menschen, deren Augen sehr wenig Tränenfilm produzieren, sind Kontaktlinsen manchmal keine Option. Wann das der Fall ist, muss ein Arzt oder eine Ärztin feststellen. Trockene Augen per se sind kein Ausschlussgrund.
Gleitsicht: Was können Kontaktlinsen da bieten?
Die Altersweitsicht ist Schicksal für eine große Mehrheit der Menschen in Deutschland. Trifft sie mit einer schon bestehenden Fehlsichtigkeit in der Ferne zusammen, wird man ein Fall für die Gleitsichtbrille. Doch Gleitsichtlinsen, im Fachjargon multifokale Kontaktlinsen, verheißen eine Alternative. „Schon eine Gleitsichtbrille bedeutet immer ein paar Kompromisse beim Sehen – etwa in den Randzonen der Gläser“, erklärt Augenoptiker Georg Scheuerer, Dozent für Optometrie an der Hochschule Aalen.
„Bei Gleitsichtlinsen gilt das noch mehr. An den Übergangsbereichen zwischen Nah- und Fernsicht überlagern sich die Eindrücke, so dass es etwas unscharf wirkt.“ Man sieht alles passabel, aber nichts wirklich exzellent. „Ob man damit klar kommt, hängt von den persönlichen Ansprüchen ab und zum Beispiel auch von beruflichen Anforderungen ans Sehen“, berichtet Scheuerer. Auch die Anpassung ist aufwändiger und die Eingewöhnungsphase länger als bei Kontaktlinsen, die nur eine Sehstärke bedienen, denn Augen und Gehirn müssen sich an die neue Sehwahrnehmung erst gewöhnen.
In einer frühen Phase der Altersweitsichtigkeit können sich manche Betroffene ganz gut darauf einstellen, wenn sie am Führungsauge, dem dominanten Auge, eine Kontaktlinse tragen, die ihnen scharfes Sehen in die Ferne ermöglich und am anderen Auge eine Linse für die Nähe.
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